Dartagonia
Quarret Nudel Seite 1
 
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Tagebuch Quarret Nudel
Am Tag Doppel Sechzehn so kurz nach Mittag


Haben Sie schon einmal etwas von einem Dart-Messie gehört?
Hören Sie auf darüber nachzudenken. Sie wissen nicht, was das ist. Sicher warten Sie darauf, dass ich nun gelehrte Erklärungen von mir gebe, doch daraus wird nichts. Natürlich haben diese Psychiater, von denen es hier in der Klinik „Ran Moderduft“ nur so wimmelt, einen langen dartagonischen Namen für diese Krankheit. Das Wort „Dart-Messie“ ist bei diesen Weißkitteln direkt verpönt. Überhaupt geben sie sich alle Mühe, mich vergessen zu lassen, woran ich leide. In meiner Nähe unterhalten sie sich nur flüsternd und hinter vorgehaltener Hand. Ich soll wohl nicht sehen, dass sie sich vor lauter Lachen kaum noch einkriegen können. Dabei versteht sowieso kein Dartagone, worüber sie eigentlich reden.
Ich will Ihnen etwas sagen – Ich erkläre Ihnen mal die ganze Sache auf meine Weise.
Stellen Sie sich vor, dass Sie von Wurfstöckchen dermaßen fasziniert sind, dass Sie diese Dinger mit aller Leidenschaft sammeln und unbedingt ALLE besitzen wollen die es gibt.
Ich habe eine sehr lebhafte Phantasie, glauben Sie mir. Für mich ist es nicht so schwierig, mir mein Ende auszumalen. Meine plüschige Vierzimmereigentumshütte war schon so mit Stöckchen aller Art gefüllt, dass lediglich der zweihundertsiebenunddreißig Zentimeter lange und siebzig Zentimeter breite Bereich zwischen der ordnungsgemäß an einer Wand montierten Scheibe und der Abwurflinie noch Platz zum Überleben bot. OK. Ein paar Zentimeter dahinter waren auch noch frei. Irgendwo musste ich ja stehen, sollte ich aus Versehen doch mal mit einem der vielen Sets ein paar Würfe machen wollen. Schon der Gang in die Küche, um mir ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, wurde zu einem Spießrutenlauf im wahrsten Sinne des Wortes. Auch die Schutzkleidung aus dem dicken Leder einer nördlichen Elchkuh, die der meiner Wichtigkeit eng verbundene Magier Messt Morph Bergnase mir zum letzten Valentinstag geschenkt hatte, bot nur noch unzureichenden Schutz. War schon voller Löcher das Teil. Haben schon scharfe Spitzen diese Wurfstöckchen. Vor allem, wenn sie bis unter die Decke gestapelt überall in jedem Raum herum liegen. Stellen Sie sich vor: Eine Mauer lüstern nach meinem Blut lechzender scharfer Spitzen wartet mit stoischer Ruhe darauf meinen ohnehin geschwächten Körper perforieren zu wollen. Mein einstmals stattlicher Körper gleicht deshalb auch schon einer einzigen schwärenden Wunde. Nur starke schmerzlindernde Tränke aus dem Fundus der Kräuterhexe Basolamona Orista Davys machten mir meine einsamen Tage noch erträglich. Aber die haben da so ihre Nebenwirkungen.
Besonders dieses „Absurd Moornudist“ ist ein teuflisches Gebräu. Nahm ich davon zuviel oder in falscher Reihenfolge mit all den anderen Mixturen bewirkte es einen psychotischen Mitteilungszwang. Die Tage an denen ich dann aus meiner Hütte gestürmt und den Bewohnern meines Dorfes mit sinnlos daher gestammelten Sätzen über meine Stöckchen oder jedes andere x-beliebige Thema, welches ich so im Vorbeistürmen aufschnappte, auf die ohnehin schon arg strapazierten Nerven gegangen war, waren Legende. Zu Beginn hatten sie noch über mich gelacht und fanden es unterhaltsam. Doch als die Anfälle immer häufiger wurden begannen sie mich erst zu bedauern und zum Ende hin nur noch zu bemitleiden. Wenn ich dann mal wieder unter Einfluss der Tränke auf der Suche nach einem Opfer durch die engen Gassen des Dorfes raste, ergriffen sie umgehend die Flucht und versuchten mir auszuweichen. Doch ich war hartnäckig und verfolgte sie bis in ihre Hütten. Es nützte ihnen auch nichts sich unter den Betten, in Schränken oder in der Gefriertruhe zu verstecken und sich die Ohren zu zuhalten. Ich fand sie überall und laberte ihnen mindestens ein Kotelett ans Ohr. Bis es ihnen zu viel wurde und sie mich mit Gewalt aus meiner stöckchenüberfüllten Hütte holten und mich hierher in die Klinik „Ran Moderduft“ schleppten.
 
*****
 
„Hätte ich ihn doch nie dazu angehalten ein Tagebuch zu schreiben.“ Mit diesen im Selbstgespräch geäußerten Worten ließ Sett Einstich tief seufzend den dicken Wälzer aus den Händen gleiten. Er fiel mit einem lauten Klatschen auf die Platte seines Schreibtisches aus 100% echtem Nadeleichenholz. „Erstaunlich, was so ein einfältiger Mensch in nur drei Tagen zu Papier bringen kann. Einfach unglaublich.“ „Und dabei habe ich nur zwei von über 2000 Seiten gelesen. Für den Rest würde ich ein zweites Leben benötigen.“ Kopfschüttelnd wandte Sett sich einer anderen Akte zu, welche schon seit über einem Jahr auf seinem peinlichst aufgeräumten Schreibtisch verstaubte.
 
 
Jedes Mal wenn er ihr andächtig wurde, fiel ihm ein, dass er noch den Abschlussbericht verfassen musste. „Irgendwann sollte ich das mal in Angriff nehmen. Wird langsam Zeit dafür.“ Aber da dieser wirklich hoffnungslose Fall schon seit Monaten bestens verwahrt in seiner vollpfostengepolsterten Zelle sinnlos vor sich hin vegetierte, hatte er keine große Eile damit. Er schob diesen Akt noch weiter an den Rand der Tischplatte, schloss das Tagebuch seines neuesten Falles und betätigte die Ruftaste der Sprechanlage, die ihn mit seiner Sekretärin verband. „Fräulein Irrstrom bitte zum Diktat. Und bringen Sie mir bitte einen starken Kaffee mit. Ich werde ihn sicher brauchen.“
Fräulein Irrstrom, mit Vornamen Angina, war schon seit Jahren seine rechte Hand und Vorzimmerdame. Halb verhungert hatte man sie damals in den Wäldern Scherbiens aufgegriffen und zu ihm gebracht. Und da er seinerzeit händeringend nach einer schriftkundigen Tippse gesucht hatte, die ihm die lästige Bürokratie vom Halse halten sollte, nahm er sie bei sich auf und gab ihr den Job. Zu seiner Freude war sie ein einziger Glücksgriff und er beglückwünschte sich noch heute zu seiner Entscheidung.
Nach einem wie immer zaghaften Klopfen öffnete sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer und Angina erschien mit Block, Feder, Tintenfass und einem Riesenbecher dampfenden Kaffees in ihren zierlichen Händen auf der Szene. Sie schloss die Türe hinter sich, trat näher und reichte ihm den Becher.
„Vielen Dank, Fräulein Irrstrom. Nehmen Sie bitte Platz und notieren sie bitte.“
Er wartete, bis sie sich auf dem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch niedergelassen hatte, wie immer schlug sie dabei ihre wohlgeformten Beine züchtig übereinander, legte den Block auf den Rand des Tisches und meinte, ihren unnachahmlichen Augenaufschlag im Gesicht, mit leise säuselnder Stimme: „Bitte Doktor Einstich. Meine Feder und ich sind bereit.“
Er verdrängte die jedes Mal wenn er ihrer ansichtig wurde in ihm aufkommenden lüsternen Gedanken (Sie war ja auch wirklich eine besonders gut gebaute Sahneschnitte), rief sich in Gedanken zur Ordnung und begann:
 


„Fall 01/ im Jahre 1012

Patient ist ein männlicher Deribart mit Namen Quarret Nudel.
Das Alter dürfte etwa bei Anfang Dreißig liegen und bedarf noch der näheren Bestimmung.
Seine Größe liegt bei 180 Zentimetern. Der einstmals sicher kräftige Körperbau hat unter dem permanenten exzessiven Gebrauch starker Tränke der Kräuterhexe B.O. Davys derart gelitten, dass er zum jetzigen Zeitpunkt eher dem eines abgemagerten Besenstils gleicht. Auch eine fortschreitende Knochenerweichung und Hirnmassenreduktion kann nicht ausgeschlossen werden.
Mit dem heutigen Tag ist die für Neuankömmlinge vorgeschriebene dreitägige Eingewöhnungs- und Beobachtungsperiode beendet. Der Patient hat sich in dieser Zeit mit großem Eifer dem Schreiben eines Tagebuches gewidmet, zu dem ich ihn angehalten hatte.
Der Patient wurde uns von aufgebrachten Bewohnern des kleinen Weilers Druntdom, am Ufer des Tremsewannsees gelegen, in einem Kartoffelsack sicher eingeschnürt zugeführt.
Sie gaben an, dass sie den Patienten aus seiner mit Stöckchen aller Art zugestopften Hütte gerettet hätten. Außerdem hätten sie bei ihm eine zwanghafte Mitteilungssucht und einen Hang zur übersteigerten Selbstdartstellung festgestellt. Soll heißen: Er ging ihnen tierisch auf den Sack.!!
So hatte der Dorfbeirat beschlossen ihn dingfest zu machen und nach hier hin zu verbringen, da sie ihn für sehr, sehr krank hielten.
Soviel zur Vorgeschichte.


Weitere Vorgehensweise:

Sein Schreibzwang sollte in eine sinnvolle Richtung gelenkt werden. Die Registratur wird deshalb angewiesen ihn das 148-seitige Anmeldeformular ausfüllen zu lassen. Bei seiner Schreibgeschwindigkeit hat er dieses in fünfzehn Minuten erledigt.
Die Beobachtungsprotokolle der ersten drei Tage sind mir umgehend zur Auswertung vorzulegen.
Der Patient ist für die Eingangsuntersuchung, Übermorgen 10:00 Uhr, vorzubereiten. Wie immer bitte gewaschen, rasiert und nüchtern. Auf das übliche Veilchendeo ist zu verzichten.
Ein Bote ist umgehend zur Kräuterhexe Davys zu senden, mit dem Auftrag, uns eine Liste der an ihn verkauften Tränke inklusiv der verordneten Reihenfolge und Dosis zu beschaffen.
Die Küche wird angewiesen ihm eiweißhaltige Vollwert-Trennkost zu allen Mahlzeiten zu reichen. Zur vorläufigen Entgiftung seines Körpers sind ihm täglich drei Liter Kräutertee mit Anis, Fenchel und Salbei zu verabreichen. Notfalls mit Gewalt und intravenös.

Bitte tragen Sie das in seine Akte ein, Fräulein Irrstrom, und informieren Sie umgehend die entsprechenden Abteilungen über meine Anordnungen. Das war es erst mal für Heute. Sie dürfen sich entfernen. Ach ja, es wäre nett, wenn Sie mir noch einen Becher Kaffee bringen würden. Danke.“

Angina hatte sorgfältig alles mit ihrer zierlichen Handschrift zu Papier gebracht, ergriff ihre Schreibutensilien und den geleerten Becher, stand auf und verließ sein Arbeitszimmer. Wie immer schaute er ihr fasziniert hinterher. Es war ihm immer noch ein Rätsel, wie eine Frau mit so vielen Gerätschaften in ihren kleinen Händen es schaffte die Türe zu öffnen und dabei so verführerisch gut auszusehen. Seinem Mund entfuhr ein lauter Seufzer, er lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, streckte die langen Beine aus und beschloss bis zum Eintreffen des Kaffees noch etwas in dem Tagebuch seines neuesten Problems zu lesen.
 
Ende Teil 1
 
 
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